Auslegung eines Testaments
Bestehen Unklarheiten über den tatsächlich gewollten Inhalt eines Testaments (was leider bei Testamenten, die ohne rechtliche Beratung errichtet worden sind, oft der Fall ist), so muss das Testament ausgelegt werden. Darüber hinaus stellt sich bei Testamenten, die lange vor dem Erbfall errichtet worden sind die Frage, ob sie auch unter den veränderten Lebensumständen noch in der Form gewollt sind.
Im Mittelpunkt der Auslegung steht die Frage, was der Erblasser mit dem Testament tatsächlich sagen wollte. Ausgangspunkt für die Auslegung ist immer der Wortlaut des Testaments. Dabei sollte man sich nicht stur an den Buchstaben festhalten, sondern das Testament auch im Zusammenhang lesen. Mitunter ergibt sich nämlich aus dem Zusammenhang eine andere Bedeutung einzelner Wörter als zunächst angenommen. Grundsätzlich sind Testamente wohlwollend auszulegen, das heißt der Wille des Erblassers steht im Mittelpunkt.
Haben sich zwischen der Errichtung des Testaments und dem Tod des Erblassers die Lebensumstände geändert, so kann auch dies bei der Auslegung berücksichtigt werden. Es muss dann der mutmaßliche Wille des Erblassers ermittelt werden. Das ist der Wille, den er gehabt hätte, wenn er zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments von den Veränderungen gewusst hätte. Man muss sich also in den Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hineinversetzen und sich fragen, wie seine Auffassung zu den veränderten Verhältnissen gewesen wäre. Dabei können auch Umstände herangezogen werden, die außerhalb des Testaments liegen; diese müssen jedoch im Testament zumindest angedeutet sein (sog. "Andeutungstheorie").