Rechtsprechung zum Erbrecht

Darf ich mein Testament malen? — Anmerkungen zum Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 11. Februar 2013, AZ: 20 W 542/11

Für Testamente gibt es im deutschen Erbrecht gewissen Formvorschriften ohne deren Einhaltung ein Testament unwirksam ist. Ein ordentliches eigenhändige Testament im Sinne des § 2247 BGB, das in Deutschland die weitaus am häufigsten gewählte Form des Testaments ist, muss der Erblasser durch "eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten". Zweck dieser Form­vor­schrift ist es, sicherzustellen, dass der in dem Testament erklärte Wille tatsäch­lich der des Erblassers ist. Die Handschrift eines jeden Menschen ist individuell so dass sich anhand von graphologischen Gutachten recht gut nachweisen lässt, ob ein handschriftlicher Text tatsächlich von einer bestimmten Person stammt. Darüber hinaus soll durch die Form­vor­schriften ein Überlegungs- und Übereilungsschutz für den Erblasser hergestellt werden. Wer sich hinsetzt und handschriftlich eine Erklärung verfasst, der überlegt sich im Zweifel genau was er tut und ist sich daher auch der Tragweite seines Tuns bewusst.

Wie aber ist es, wenn ich statt zu schreiben mein Testament male oder zeichne? Auch ein Künstler kann schließlich seine ihm eigene künst­lerische "Handschrift" haben. Wer würde leugnen, dass man einen van Gogh von einem Picasso unterscheiden kann? Ein vollständig in Bildern abgefasstes Testament war — soweit ersichtlich — allerdings noch nicht Gegenstand eines Gerichtsverfahrens in Deutschland. Angesichts des Wortlautes des Gesetztes "eigenhändig geschrieben" würde wohl ein ausschließlich gemaltes Testament auch nicht anerkannt werden. Die künstlerische "Handschrift" hat hier nicht denselben Stellenwert wie die tatsächliche Handschrift eines Menschen.

Das OLG Frankfurt am Main hatte jedoch im Februar 2013 über ein zumindest teilweise mit graphischen Elementen erstelltes Testament zu entscheiden. Der Erblasser hatte seinen letzten Willen in einer Kombination aus handschriftlichen Worten und Pfeildiagrammen niedergelegt. Aus den Worten allein ergab sich kein klar zu erkennender Wille. Dieser erschloss sich nur aus der Kombination mit den Pfeilen. Obwohl kein Zweifel daran bestand, dass der Erblasser zumindest die Worte tatsächlich selbst geschrieben hatte und auch keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Pfeile von jemand anderem hinzugefügt worden waren, entschied das Gericht, dass dieses Schrift­stück kein formgültiges Testament im Sinne des § 2247 BGB ist. Zum einen könne anhand der Pfeile nicht die Echtheit des Schriftstückes festgestellt werden. Zum anderen sei auch die weitere Schutzfunktion des gesteigerten Überlegungs- und Übereilungsschutzes der Form­vor­schriften nicht gewahrt. Durch bloßes Zeichnen könne nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, welche Form der Rechts­nachfolge gewollt ist und welche Person welche Anteile erhalten soll. Fein­heiten wie etwa Vor- und Nacherbschaft, Ersatzerbschaft oder Vermächtnisse könnten durch Zeichnen nicht dargestellt werden.

Im konkreten Fall hat das OLG Frankfurt a.M. über­zeugend argumentiert. Bloße Pfeilverbindungen zwischen Namen können die juristischen Feinheiten sicherlich nicht klar zum Ausdruck bringen. Ein guter Künstler wird aber wohl in der Lage sein, auch komplexe Strukturen und Sachverhalte graphisch darzustellen. Sicherlich würde ein solches Bild Inter­pretations­spielraum lassen, aber auch so manches schriftliche Testament ist auslegungs­bedürftig. Darüber hinaus würde sich ein Künstler, bevor er zu Stift oder Pinsel greift sicher­lich genau überlegen, was er tut. Mithin wäre hier der Über­legungs- und Über­eilungs­schutz im Einzel­fall sicher gewahrt. Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main, die Form­vor­schriften generell eng auszu­legen richtig. Schrift ist eine für jeden verständ­liche Form der Willens­äußerung, die sicher­lich oft auslegungs­bedürftig aber insgesamt doch objektiver ist.

Es ist eine schöne Idee, sein Testament zu malen und dem einen oder anderen wird es auch mehr Spaß machen zumal uns in Zeiten von Computer und Handy die Handschrift bereits ein wenig fremd geworden ist. Man ist jedoch gut beraten, sich in so wichtigen Angelegenheiten wie der Abfassung eines Testaments streng an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Für Experimente und Extra­vaganzen ist hier kein Raum. Wer sich lieber kreativ seiner Umwelt mit­teilt, oder seinen Willen durch einen künst­ler­ischen Akt überhaupt erst bildet, dem steht es ja frei sein Testament museumsreif zu verfassen. Sicher­heits­halber sollte der letzte Wille aber auch in schrift­licher Form vorliegen. Wer nicht selbst zum Stift greifen möchte kann sein Testament auch beim Notar abfassen lassen und dort hinterlegen.

Vorsicht vor vagen Formulierungen im Testament! — Anmerkungen zum Beschluss des OLG München vom 22. Mai 2013, AZ: 31 Wx 55/13

Ein Testament kann man nur persönlich er richten (§ 2064 BGB). Deshalb darf man es auch nicht anderen Personen überlassen, zu entscheiden, ob ein Testament gelten soll oder nicht (§ 2065 Abs. 1 BGB). Ebensowenig darf man andere entscheiden lassen, wer etwas erben soll und was er erben soll (§ 2065 Abs. 2 BGB). In ein Testament darf man also beispielsweise nicht schreiben: "Meine Ehefrau soll nach meinem Tod entscheiden, ob und wieviel unsere gemeinsamen Kinder erben." Bei einer solchen Formulierung hilft auch eine Auslegung des Testamentes nicht weiter. Eine klare Erbeinsetzung durch den Verstor"benen persön"lich wird man in diese Formu"lierung nicht hineinlesen können. Mitunter gibt es jedoch Formulierungen in Testamenten, bei denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine Auslegung zu einem klaren Ergebnis führt. Mit einer solchen Formulierung hatte das Oberlandesgericht München zu tun.

Der Verstorbene im Fall des OLG München war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hinterließ jedoch eine Lebensgefährtin, vier Brüder und vier Nichten bzw. Neffen. Nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte, hat er einen Neffen mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet, damit dieser seine Angelegenheiten für ihn regeln kann, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Im Jahr 2003 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament in dem er seine Nichten und Neffen zu je 1/4 zu Erben einsetzte und seiner Lebensgefährtin ein Geldvermächtnis zudachte. Im Jahr 2010 errichtete er handschriftlich ein weiteres Testament in dem es hieß: "N. 1 soll € 2000 erhalten. Das S.-Kloster in A. bekommt € 3.000. N. 2 bekommt die Fotosachen und meinem Anhänger. N. 3 soll das Geschirr und die Betonmaschine bekomen. N. 4 bekommt meine Schie­aus­rüstung. Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer sich bis zu meinem Tode um mich kümert. Sollte das nicht der Fall sein soll alles das S.-Kloster erhalten. Ort, Datum, Unterschrift"

Der mit der Vorsorgevollmacht ausgestattete Neffe und die Lebensgefährtin beantragten aufgrund dieses Testamentes einen Erbschein zu je 1/2 . Die beiden stritten darum, wer sich in welchem Umfang um den Erblasser „gekümmert“ hatte. Das zuerst mit dem Fall befasste Gericht stellte fest, dass die beiden zu je 1/2 Erben geworden waren, da sie gleichermaßen das Kriterium des Erblassers erfüllt hätten. Gegen diese Entscheidung legte der Neffe Beschwerde ein, über die das OLG München zu befinden hatte. Er war der Ansicht, dass die Lebensgefährtin nicht Erbin geworden war.

Das OLG München bestätigte die Auffassung der ersten Instanz, dass die Formulierung, "Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer" eine Erbeinsetzung ist, da das Haus der wesentliche Vermögensgegenstand des Nachlasses sei. Alle übrigen Gegenstände und das Geldvermögen fielen daneben nicht ins Gewicht. Die Bestimmungen darüber sind lediglich Vermächt­nisse.

Der Erblasser hatte jedoch nicht genau bestimmt, welche Person das Haus bekommen sollte — einen Namen nannte er im Gegensatz zu den Bestimmungen über die Zuteilung der anderen Gegenstände nicht. Das OLG München war der Ansicht, dass man auch mittels Auslegung nicht genau bestimmen könne, wer Erbe des Hauses geworden war. Es sei nämlich nicht klar, welche Art von "Kümmern" der Erblasser gemeint habe. Mit dem Begriff könne sowohl die körper­liche Pflege als auch Hilfe bei der Haus­arbeit, seelische Stütze, die Erledigung finanzieller Angelege­nheiten oder nur allgemein ein "Schenken von Aufmerksamkeit" gemeint sein. Dies verstoße gegen § 2065 Abs. 2 BGB, der besagt, dass man die Bestimmung, wer wie viel erben soll nicht einem anderen über­lassen darf. Die hier gewählte Formu­lierung sei so vage, dass es von den Vorstellungen desjenigen, der das Testament auslegt abhänge, wer das Kriterium des SichKümmerns erfüllt habe. Der Erblasser habe daher nicht selbst bestimmt, wer sein Erbe werden soll, so dass das Testament aus dem Jahr 2010 nicht ist. Demzufolge gelte das Testament aus dem Jahr 2003, so dass die vier Nichten und Neffen zu je 1/4 erben und die Lebensgefährtin ein Geldvermächtnis bekommt.

Die Entscheidung des OLG München macht deutlich, wie wichtig es ist, ein Testament so konkret wie möglich zu formulieren. Vage For­mulie­rungen wie hier in diesem Fall, öffnen Erb­streitigkeiten Tür und Tor. Es ist deshalb richtig, dass das OLG eine Grenze gezogen hat und die Formu­lierung als unzureichend eingestuft hat. Zwar sollte nach Möglichkeit ein Testament ausgelegt werden und so der Wille des Verstorbenen möglichst genau ermittelt werden. Schließlich errichtet man ein Testament, damit der eigene Wille nach dem Tod auch wirklich Geltung erhält. Allerdings darf man die Möglichkeit der Auslegung auch nicht über­strapa­zieren, sonst besteht die Gefahr, dass man gerade nicht den Willen des Erb­lassers "trifft". In einem solchen Fall ist es daher wohl das kleinere Übel, wenn das Testa­ment nichtig ist und ein vorheriges wieder auflebt oder die gesetzliche Erbfolge eintritt. Ansonsten würde möglicher­weise eine Erbfolge eintreten, die der Erblasser unter keinen Umständen gewollt hat.

Aufgepasst also bei der Formulierung eines Testaments! Die einfachste Vari­ante ist sicherlich, genau bezeichneten Personen einen prozentualen Anteil am Gesamtnachlass zu hinterlassen ("Meine Kinder A,B und C erben zu je 1/3."). Will man die Erbeinsetzung — wie der Erblasser in dem hier vorgestellten Fall — an Bedin­gungen knüpfen, sollte man zunächst konkret überlegen, welche Vorstellung man selbst von der Bedingung hat. Wann ist sie erfüllt, wer wird sie mutmaßlich erfüllen und wodurch? Sodann sollte man überlegen, ob die Formulierung, die man ge­wählt hat, bei anderen Men­schen dieselbe Vorstellung auslöst. Je konkreter die Bedingung umschrieben ist, umso besser. Ziehen Sie im Zweifel Vertrauenspersonen oder Juristen zu Rate.