Erbrecht in Norwegen

Vgl. ausführlich zum norwegischen Pflichtteilsrecht: B. Paintner Länder­bericht Norwegen in: Schlitt/Müller, Handbuch Pflicht­teilsrecht, Verlag C.H. Beck, 2. Auflage, München 2017

Das Erbrecht ist in Norwegen im Lov om arv vom 03.03.1972 Nr. 5 geregelt. Das norwegische Erbrecht folgt dem linearen Parentelsystem. Die gesetzlichen Erben sind demgemäß in verschiedene Ordnungen (Parentel) unterteilt, innerhalb der Parentel wird nach Linien vererbt. Innerhalb einer Linie schließt jeder Erbe seine Abkömmlinge als Erben aus.

Erbordnungen

Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (§ 1 al.). Erben zweiter Ordnung sind die Eltern und deren Abkömmlinge (§ 2 al.) Ist ein Elternteil vorverstorben, so treten die Abkömmlinge der Eltern an dessen Stelle. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erbt der überlebende Elternteil alles. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes minderjährig war und die Eltern nicht miteinander verheiratet waren. In diesem Fall erben die Großeltern von Seiten des vorverstorbenen Elternteils die Hälfte (§ 2 Abs. 2 S. 2 al.). Begründet wird diese Regelung damit, dass der Erblasser im Zweifel Erbe nach dem vorverstorbenen Elternteil war und ohne diese Ausnahmeregelung Vermögen aus dessen Linie in die Linie des überlebenden Elternteils gelangen würde, was ohne eine enge (eheliche) Verbindung der Eltern unbillig ist.

Erben dritter Ordnung sind die Großeltern und deren Abkömmlinge (§ 3 al.). Nicht erbberechtigt sind Verwandte der Großeltern über deren Enkelkinder hinaus, da für ein gesetzliches Erbrecht ein Mindestmaß an verwandtschaftlicher Nähe zwischen Erblasser und Erben bestehen soll.

Erbrecht unehelicher Kinder

Gem. § 4 al. haben uneheliche Kinder nach dem Vater ein gesetzliches Erbrecht, gleich ehelich geborenen Kindern, sofern die Vaterschaft nach den Regelungen des Kindesrechts (Lov om barn og foreldre, 08.04.1981, Nr. 7) feststeht.

Erbquote

Im norwegischen Erbrecht gilt das Grundprinzip, dass alle gesetzlichen Erben der gleichen Ordnung gleich viel erben. Dementsprechend muss sich ein gesetzlicher Erbe zu Lebzeiten des Erblassers Erlangtes auf sein Erbe anrechnen lassen. Diese Regelungen der §§ 38–43 al. gelten jedoch nur für Abkömmlinge des Erblassers und können durch Testament ausgeschlossen werden. Im Unterschied etwa zu den Regelungen des deutschen Erbrechts in den §§ 2050 ff. BGB gilt die Anrechnungspflicht jedoch nur, wenn der Erblasser die Anrechnung ausdrücklich angeordnet hat. Für diese Anordnung gelten keine besonderen Formvorschriften. Besondere Regelungen gibt es zudem für Kinder des Erblassers, die zum Todeszeitpunkt ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben oder die noch im Haushalt des Erblassers gewohnt und viel für den Erblasser getan haben. Gem. § 36 al. erhalten diese einen angemessenen Voraus aus dem Erbe zur Sicherung ihrer Ausbildung bzw. zur Abgeltung ihrer Pflegeleistung. Die Regelung gilt nur für Kinder des Erblassers, nicht für weitere Abkömmlinge. Über die Regelung kann der Erblasser nicht testamentarisch disponieren.

Ehegattenerbrecht

Ehegatten haben gem. §§ 6 ff. al. ein gesetzliches Erbrecht in Höhe von einem Viertel neben Erben erster Ordnung, der Hälfte neben Erben der zweiten Ordnung und im Übrigen in voller Höhe. Der überlebende Ehegatte erhält in jedem Falle ein Mindesterbe in Höhe des vierfachen Grundbetrages der gesetzlichen Rentenversicherung neben Erben erster Ordnung und des sechsfachen Grundbetrages neben Erben zweiter Ordnung.

Das Erbrecht des Ehegatten kann der Erblasser durch Testament ausschließen. Eine solche testamentarische Verfügung ist jedoch nur gültig, wenn der enterbte Ehegatte vor dem Tod des Erblassers von dieser ihn benachteiligenden Verfügung Kenntnis erlangt (§ 7 al.). Das Mindesterbe kann nicht durch Testament ausgeschlossen werden.

Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners (samboer)

Ähnlich wie ein Ehegatte haben auch nichteheliche Lebenspartner nach §§ 28 ff. al. ein gesetzliches Erbrecht. Voraussetzung ist zunächst, dass eine Lebensgemeinschaft (samboerskap) besteht. Eine samboerskap iS des norwegischen Erbrechts liegt vor, wenn zwei Personen über 18 Jahre, die weder verheiratet noch registrierte Lebenspartner sind noch mit anderen Personen eheähnlich zusammenwohnen, in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenleben. Wer in einer solchen samboerskap lebt, hat beim Tod des Partners neben dessen Abkömmlingen ein gesetzliches Erbrecht in Höhe des vierfachen Jahresgrundbetrags der öffentlichen Sozialversicherung wenn er ein gemeinsames Kind mit ihm hat, hatte oder erwartet. Durch Testament kann der Erblasser das gesetzliche Erbrecht für den Lebenspartner begrenzen oder ganz ausschließen. Für die Wirksamkeit der Begrenzung bzw des Ausschlusses ist es erforderlich, dass der Lebenspartner vor dem Tod des Erblassers Kenntnis von dieser Verfügung erlangt hat (§ 28 b Abs 2 al). Ebenfalls ein gesetzliches Erbrecht in Höhe von 4 G hat der samboer, der mit dem Verstorbenen mindestens die letzten fünf Jahre vor dessen Tod zusammengewohnt hat, wenn der Erblasser dies in einem Testa- ment bestimmt hat (§ 28 b Abs 1 al).

Fortsetzung der Gütergemeinschaft (uskiftet bo)

Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand, hat der überlebende Ehegatte die Möglichkeit, das ungeteilte eheliche Gesamtgut zu übernehmen. Dies erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. In der Praxis hat die Fortsetzung der Gütergemeinschaft große Bedeutung und ist für den überlebenden Ehegatten in der Regel wichtiger als das gesetzliche Erbrecht. Das Recht des Ehegatten, den Nachlass ungeteilt zu übernehmen, muss von den Erben respektiert werden. Einzig Abkömmlinge des Erblassers aus einer früheren Beziehung (særkullsbarn) können die sofortige Teilung verlangen.

Pflichtteil

Erben erster Ordnung haben gem. § 29 al. ein Pflichtteilsrecht in Höhe von zwei Dritteln des Nachlasses. Demzufolge kann der Erblasser nur über ein Drittel seines Vermögens testamentarisch verfügen. Der Pflichtteil ist jedoch der Höhe nach beschränkt auf eine Million Kronen für Kinder des Erblassers. Erben fernere Abkömmlinge ist der Pflichtteil auf eine Million Kronen pro Linie begrenzt, jedoch darf er für jeden einzelnen Erben nicht weniger als 200.000 Kronen betragen. Den Pflichtteil erhalten die Pflichtteilsberechtigten direkt, unbedingt und unbelastet. Der Erblasser hat lediglich in einigen Ausnahmenfällen die Möglichkeit durch Testament die Verteilung des Pflichtteils unter den Pflichtteilsberechtigten zu regeln.

Erbteilungsverfahren

Die Erbteilung richtet sich nach dem Gesetz über die Nachlassteilung (skifteloven). Möglich sind die Teilung durch die Erben (private Teilung) und die öffentliche Teilung durch das Nachlassgericht. Die Erben können zunächst ein Aufgebot ausstellen lassen, um einen Überblick über die Verpflichtungen des Erblassers zu erhalten.

Die private Teilung setzt voraus, dass mindestens einer der Erben durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht die Nachlassverbindlichkeiten übernimmt. Die öffentliche Teilung wird vom Nachlassgericht (tingrett) vorgenommen und ist möglich solange eine private Teilung noch nicht abgeschlossen ist. Im Regelfall ernennt das Gericht einen Nachlassverwalter (bostyrer), der die Nachlassauseinandersetzung übernimmt.